Kategorien
Blüten Das Gedicht Literatur Lyrik Sommer

Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß, Blüten-Sommer in deutschen Gedichten

Eine Auswahl der schönsten deutschen Sommergedichte legt Elisabeth Bloom vor. Illustriert von Sommerblüten, die Elisabeth auf ihren Spaziergängen fotografiert hat.

Sommerbeginn. Wie der Mai schwelgt der Juni in leuchtenden Farben. Rosen blühen, erste Kräuter wachsen. Waldmeisterbowle gab es im Mai, der Juni ist der Monat des Lavendels und des Sommermohns. Linden blühen und duften süß. Wenn im Sommer der rote Mohn, heißt es in der Naturlyrik Julius Otto Bierbaums. Am leuchtenden Sommermorgen geh ich im Garten herum, dichtet Heinrich Heine. Gut, wir tun es ihm gleich. Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß,  schreibt unvergleichlich Joachim Ringelnatz. Machen wir, rufen wir ihm zu. Wir zupfen! Blütenblätter aus Kornblumen, ein Du liebst mich nicht, du liebst mich aus Margaritenblüten. Wunderbare deutsche Sprache. Die Sprache der Dichter und Denker, im Sommer und im Winter,  zeigt sie ihre großartige positive Poesie.

Julius Otto Bierbaum (1865-1910)

Wenn im Sommer der rote Mohn
wieder glüht im gelben Korn,
wenn des Finken süßer Ton
wieder lockt im Hagedorn,
wenn es wieder weit und breit
feierklar und fruchtstill ist,
dann erfüllt sich uns die Zeit,
die mit vollen Massen misst.

Dann verebbt, was uns bedroht,
dann verweht, was uns bedrückt,
über dem Schlangenkopf der Not
ist das Sonnenschwert gezückt.
Glaube nur, es wird geschehn!
Wende nicht den Blick zurück!
Wenn die Sommerwinde wehn,
werden wir in Rosen gehn,
und die Sonne lacht uns Glück!

Mohn (1)

Friedrich Hölderlin (1770-1843)

Noch ist die Zeit des Jahrs zu sehn, und die Gefilde
Des Sommers stehn in ihrem Glanz, in ihrer Milde;
Des Feldes Grün ist prächtig ausgebreitet,
Allwo der Bach hinab mit Wellen gleitet.

So zieht der Tag hinaus durch Berg und Tale,
Mit seiner Unaufhaltsamkeit und seinem Strahle,
Und Wolken ziehn in Ruh`, in hohen Räumen,
Es scheint das Jahr mit Herrlichkeit zu säumen.

Mohn (2)

Heinrich Heine (1797-1856)

Am leuchtenden Sommermorgen
geh ich im Garten herum.
Es flüstern und sprehen die Blumen,
Ich aber, ich wandle stumm.
Es flüstern und sprechen die Blumen,
Und schaun mich mitleidig an:
Sei unserer Schwester nicht böse,
Du trauriger, blasser Mann.

Margarite & Butterblumenwiese

Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898)

Schwüle
Trüb verglomm der schwüle Sommertag,
Dumpf und traurig tönt mein Ruderschlag –
Sterne, Sterne – Abend ist es ja –
Sterne, warum seid ihr noch nicht da?Bleich das Leben! Bleich der Felsenhang!
Schilf, was flüsterst du so frech und bang?
Fern der Himmel und die Tiefe nah –
Sterne, warum seid ihr noch nicht da?

Eine liebe, liebe Stimme ruft
Mich beständig aus der Wassergruft –
Weg, Gespenst, das oft ich winken sah!
Sterne, Sterne, seid ihr nicht mehr da?

Endlich, endlich durch das Dunkel bricht.
Es war Zeit! – ein schwaches Flimmerlicht.
Denn ich wußte nicht, wie mir geschah.
Sterne, Sterne, bleibt mir immer nah.

Heu

Joachim Ringelnatz (1883-1934)

Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß,
Das durch den sonnigen Himmel schreitet.
Und schmücke den Hut, der dich begleitet,
Mit einem grünen Reis. Verstecke dich faul in der Fülle der Gräser
Weil`s wohltut, weil`s frommt.
Und bist du ein Mundharmonikabläser
Und hast eine bei dir,
dann spiel, was dir kommt.

Und lass deine Melodien lenken
Von dem freigegebenen Wolkengezupf.
Vergiss dich. Es soll dein Denken
Nicht weiter reichen als ein Grashüpferhupf.

Wiese & Kornblume

Rainer Maria Rilke (1875-1926)

Die Sonnenuhr
Selten reicht ein Schauer feuchter Fäule
aus dem Gartenschatten, wo einander
Tropfen fallen hören und ein Wander-
vogel lautet, zu der Säule,
die in Majoran und Koriander
steht und Sommerstunden zeigt; Nur sobald die Dame (der ein Diener
nachfolgt) in dem hellen Florentiner
über ihren Rand sich neigt,
Wird sie schattig und verschweigt.

Oder wenn ein sommerlicher Regen
aufkommt aus dem wogenden Bewegen
hoher Kronen, hat sie eine Pause;
Denn sie weiß die Zeit nicht auszudrücken,
Die dann in den Frucht- und Blumenstücken
Plötzlich glüht im weißen Gartenhause.

Butterblume & Männertreu & Waldmeister & Löwenzahn & Gänseblümchen

Theodor Storm (1817-1888)

Ein grünes Blatt

Ein Blatt aus sommerlichen Tagen,
Ich nahm es so im Wandern mit,
Auf daß es einst mir möge sagen,
Wie laut die Nachtigall geschlagen,
Wie grün der Wald, den ich durchschritt.